Computerspiele im Deutschunterricht -Literarische Kompetenzen spielend erlernen
Dr. Jan M. Boelmann, Juniorprofessor für Literatur- und Mediendidaktik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, forscht über den Einsatz von Computerspielen als Unterrichtsmedien. Im Interview erzählte er uns, was Computerspiele im Unterricht leisten können und warum sie Bücher auch in Zukunft nicht ersetzen werden.
Sie erforschen den Einsatz von Computerspielen im Deutschunterricht, um Literaturtechniken zu vermitteln. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Ich komme eigentlich aus der literarischen Sozialisationsforschung und es ist so, dass bei Pisa etc. die Jungen immer schlechter abschneiden als die Mädchen. Ich habe mich gefragt, ob es nicht einen Weg gibt, das zu ändern – vielleicht mit einem Medium, mit dem Jungen mehr anfangen können. Da lagen Computerspiele für mich nahe, weil ich in meiner Jugend selbst aktiver Spieler war.
Ich habe erst einmal geschaut, welche Computerspiele überhaupt Geschichten erzählen, die dann auch im Deutschunterricht verwendet werden können. Es gibt mittlerweile viele qualitativ hochwertige Spiele, in denen sehr differenziert Geschichten erzählt werden. Zum Teil bieten sie alle Aspekte, die sich in der Literatur auch finden. Einige Spiele lassen sich mithilfe der Dramenanalyse betrachten, andere, um die klassische Romananalyse einzuüben usw. – im Prinzip kann man mit ihnen alles machen, was man normalerweise mit Büchern macht.
Ich habe dann verschiedene Unterrichtsszenarien entwickelt, und auch empirisch gearbeitet, um herauszufinden, wie die Kompetenzpotenziale von Computerspielen im Vergleich zur Literatur sind. Letztlich hat sich herausgestellt, dass die Mädchen kein Problem damit hatten, es aber vielen Jungen leichter gefallen ist, ihre literarische Kompetenz mit Computerspielen zu verbessern. Computerspiele gehören einfach zur Lebenswelt der Jugendlichen und sie bieten eine Möglichkeit, literaturfern sozialisierte Kinder dort abzuholen, wo sie stehen.
Wie sieht das Lernen mit Computerspielen in der Praxis aus?
Im Prinzip genauso wie bei der Literatur. Die Computerspiele müssen genauso angeschafft werden wie Bücher. Der Preis ist in etwa gleich, ebenso der erforderliche Zeitaufwand. Natürlich muss man vorher sicherstellen, dass alle Zugang zu einem Computer haben.
Die Kinder spielen die Spiele zuhause durch und im Unterricht arbeitet man dann an verschiedenen Passagen weiter. Im Grunde hat man die gleichen Elemente wie bei Literatur und auch die Aufgaben sind ganz ähnlich, man kann Figuren charakterisieren, Handlungsstränge analysieren, man kann Metaphern und Symbole herausarbeiten und ihre Bedeutung für die Geschichte.
Mit Spielen wie Ceville für die Orientierungsstufe etwa lassen sich lehrplangetreu alle Aspekte eines Märchens vermitteln. Neben der literarischen Kompetenz wird aber zusätzlich auch die Medienkompetenz der Schüler geschult, sodass für die Lebenswelt der Schüler ein ganz klar wahrzunehmender Mehrwert entsteht.
Welche Medien braucht man in der Schule, um mit Computerspielen zu arbeiten?
Eine interaktive Tafel ist hilfreich, denn sie bietet die Möglichkeit, solche Dinge unglaublich schnell und effizient einzubinden. Ähnlich wie sonst Buchpassagen gemeinsam gelesen werden, können Abschnitte vorgespielt und dann analysiert werden. Mit dem ActivPanel ist es noch ein wenig komfortabler, weil man eben noch eine Handvoll Funktionen mehr hat.
Wenn etwa mehrere Kinder gleichzeitig an der Tafel arbeiten sollen, etwa beim Brainstorming, ist es einfach praktisch, wenn man mehrere Berührungspunkte hat. Natürlich ist auch die Auflösung ein Pluspunkt der interaktiven Flachbildschirme, gerade wenn man mit Film oder Computerspielen arbeitet.
Liegt in der Einbindung solcher Medien die Zukunft des Unterrichtens?
Es gibt heute kaum noch Jugendliche, die keine Computerspiel-Erfahrung haben – das gilt auch für die Mädchen. Es gehört zu ihrer Lebenswelt. Auch die Ausstattung mit Computern an den Schulen wird immer besser, sodass die Voraussetzungen zunehmend gegeben sind. Und ebenso, wie der Film vor 30 Jahren im Unterricht noch fast undenkbar war (nicht in Form des Lehrfilms, sondern der Filmanalyse), gehe ich davon aus, dass das Computerspiel ebenso wie der Film in den nächsten Jahrzehnten seinen Platz finden wird, der in etwa dem entspricht, was auch sein gesellschaftlicher Stellenwert ist.
Computerspiele sollen Bücher nicht ersetzen, sondern als Teil des Medienverbunds ernstgenommen werden. Als einer der ersten Schulbuchverlage hat Klett mittlerweile darauf reagiert und kleine Lerneinheiten zu Computerspielen entwickelt, in denen Computerspiele als narrative, literarische Werke betrachtet werden.
Herr Boelmann, vielen Dank für das interessante Gespräch.
Mittlerweile ist Prof. Dr. Boelmann Direktor des Instituts für deutsche Sprache und Literatur und des Zentrums für didaktische Computerspielforschung in Freiburg.
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